Es ist eisig kalt an diesem Januarmorgen in der kleinen Kapelle des Rittergutes der Familie von Zwangen in Gau-Fallersheim. Trotz seiner reichlichen Verzierung wirkt der Eichenholzsarg vorne im Altarraum mit seiner Dekoration aus Tannenzweigen und Kerzen düster. Für Josephine hätte sich Simon eine farbenfrohere Gestaltung gewünscht, doch woher sollten im tiefen Winter frische Blumen kommen?
Kurz vor Mitternacht treten Simon und Oskar vor die Tür von „Dommayer’s Casino“. Ein kalter Wind fegt ihnen um die Ohren und Simon knöpft schnell seine Jacke zu. Auch Oskar richtet seinen Kragen auf und stellt dabei fröhlich fest: „Ein aufregender Abend – gutes Essen, tolle Musik und bezaubernde Frauen … ein wahrer Genuss!“
Simon muss lachen. „Von der Seite kann man es natürlich auch betrachten.“
„Ist doch alles gut gegangen, mein Freund.“ Oskar klopft ihm vertraulich auf die Schulter. „Wo ist dein Problem? Oder ist dir einfach nur kalt?“
„Kalt? Ja, das auch. Aber im Ernst, Oskar, du hast da drin fast einen Feuersturm entfacht. Mir sollte es jetzt wohl eher heiß den Rücken herunterlaufen.
An zwei Tischen in der Gaststube wird schon gefrühstückt, als Simon am nächsten Morgen seine Spiegeleier mit Speck bestellt. Das erste Mal auf dieser Reise weiß er nicht, wer überhaupt zum Frühstück erscheinen wird: Dunja Juskowiak ist gleich nach ihrer Ankunft am gestrigen Abend mit Nicolina und Stas zu ihren Eltern gegangen, und Ivo Sobotka wurde unverzüglich zur Gendarmerie überstellt und dort in Gewahrsam genommen. Die beiden Beamten von der Geheimpolizei hatten ihm noch mitgeteilt, dass sie im Laufe des Vormittags zur Befragung vorbeikommen wollen.
„Guten Morgen, Herr Brown, darf ich mich zu Ihnen setzen?“ Magdalena Paoli steht an seinem Tisch – heute viel dezenter gekleidet und deutlich weniger geschminkt als an jedem anderen Tag der Reise.
Die Schiffe im Hafen von Triest liegen im gleißenden Sonnenlicht. Es strahlt so hell, dass sie kaum zu erkennen sind. Simon muss die Augen mit der Hand abschirmen, um überhaupt etwas im grellen Licht zu erkennen. Er sitzt in einem Kaffeehaus an der Piazza Grande und hängt den Erlebnissen der letzten Tage nach.
„Entschuldigung?“, reißt ihn eine Stimme aus seinen Gedanken ...